Frühstücksgespräch mit Pfarrer Peter Kossen:
Kinder erleben auch die dunklen Seiten der Arbeitsmigration

Sabine Fischer vom Vorsitzendenteam des GEW-Kreisverbandes Steinfurt konnte am 26. September zahlreiche Teilnehmer*innen beim Frühstücksgespräch im Gasthof Prigge / Akademie Talaue in Lengerich begrüßen.
Als Gäste waren Pfarrer Peter Kossen und die Erzieherin Saskia Wanke dabei, die die Arbeits- und Lebensbedingungen der zuletzt auch durch die Corona-Krise in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückten zumeist aus Rumänien und Bulgarien stammenden Arbeiter*innen in der hiesigen Fleischindustrie darstellten und dabei insbesondere auch die Auswirkungen auf die Kinder der betroffenen Familien zur Sprache brachten.

Beim GEW-Frühstücksgespräch am 26. September in Lengerich: Erzieherin Saskia Wanke und Pfarrer Peter Kossen, flankiert von Sabine Fischer und Monika Kaymaz vom Vorsitzendenteam des GEW-Kreisverbandes Steinfurt.

Aufmerksam auf die Thematik „Arbeiter in der Fleischindustrie“ war Pfarrer Kossen durch Kontakte zum Sozialdienst Katholischer Frauen und zur Schwangerschaftskonfliktberatung geworden. Es seien schwangere Frauen aus der Fleischindustrie mit dem Wunsch nach Abtreibung zur Beratung gekommen. Eine Schwangerschaft bedeute ein Beschäftigungsverbot für die Betroffene, damit verliere sie auch ihre Wohnung, da diese meist vom Arbeitgeber gestellt werde. Aus diesen Gründen wünschen viele Frauen aus der Fleischindustrie eine Abtreibung.

Die Beschäftigten werden deutlich unter dem Mindestlohn bezahlt, sie leisten viele Überstunden und haben nur eine geringe soziale Absicherung, weil Betriebsräte und Gewerkschaften für sie als Werkvertrags- und Leiharbeiter nur bedingt vertretungsberechtigt sind. Ihr Zugang zu Arbeitnehmerrechten ist in vielen Bereichen nicht gewährleistet. Eine begründete Angst vor Jobverlust und vor den Kosten eines Rechtsstreits sowie die Unkenntnis der Rechtslage, Sprachbarrieren und die Schwellenangst gegenüber Behörden machen sie ihren Arbeitgebern gegenüber hilflos.
Diese Mitmenschen "sieht" man oft nicht, da sie aufgrund ihrer hohen Arbeitszeit von bis zu 260 Stunden im Monat keine Zeit mehr für Freizeitaktivitäten wie die Teilnahme an Angeboten von Sportvereinen u.ä. haben.

Diese Bedingungen wirken sich natürlich auch auf ihre Kinder und deren Entwicklung negativ aus. Saskia Wanke, Erzieherin in einer Lengericher Kita, schilderte eindrucksvoll, wie sie diese Kinder in ihrer Einrichtung erlebt hat und welchen Problemen sie sich stellen muss. "Diese Kinder kommen zu uns und müssen zuerst einmal schlafen. Sie sind aufgrund der beengten Wohnverhältnisse so übermüdet, dass sie die Zeit, die sie eigentlich zum Spielen nutzen könnten, einfach verschlafen." Zeit zum Spielen fehle ihnen am Ende doppelt, denn das Spielen sei in den beengten Wohnverhältnissen und den knappen finanziellen Bedingungen ebenfalls kaum möglich.
Die Folge seien neben psychischen Schäden auch Störungen in der Entwicklung. Die Schulen seien aufgrund des Mangels an Personal oft nicht in der Lage, diese Kinder mit ihren vielschichtigen Problemen angemessen aufzufangen und zu fördern.

Anfang 2019 wurde in Lengerich der Verein "Aktion Würde & Gerechtigkeit" von Experten und Engagierten gegründet. Seine Mitglieder sollen Arbeitsmigrant*innen aus Ost- und Südosteuropa in ihren Rechten stärken, damit die Integration und Teilhabe dieser Menschen gelingt; denn anders als Saisonarbeiter bleiben sie für eine lange Zeit oder sogar für immer bei uns.

Aus dem Publikum kamen engagierte Vorschläge zur Unterstützung und Vernetzung, so zum Beispiel von Margret Schepers, die für die Sprachhilfe in Rheine arbeitet. Uli Fischer vom Kreissportbund bot an, die Problematik mit in den "Lenkungskreis Steinfurt" zu nehmen und Monika Kaymaz vom Vorsitzendenteam des GEW-Kreisverbandes Steinfurt schlug vor, dass auch die GEW als Bildungsgewerkschaft zu einer Vernetzung von Hilfsangeboten beitragen soll, die insbesondere den Kindern Unterstützung bieten solle.

Den Abschluss der Veranstaltung bildete die sehr eindrucksvolle Verlesung des Klappentextes des Buches "Das Schweinesystem" durch Sabine Fischer, in dem sich unter anderem Pfarrer Peter Kossen mit deutlichen Worten kritisch mit dieser Branche auseinandersetzt.


Der GEW-Kreisverband Steinfurt unterstützt die Arbeit des Vereins "Aktion Würde & Gerechtigkeit" mit einer Spende von 200 €.

Aufgrund der positiven Resonanz zu diesem Format des "Frühstücksgesprächs", das in diesem Jahr erstmalig stattgefunden hat, möchte der GEW-Kreisverband Steinfurt zukünftig regelmäßig einmal im Jahr zu unterschiedlichen Themen an unterschiedliche Orte einladen.

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