Laudatio auf Heinrich Kröner

Beim traditionellen Grünkohlessen des GEW-Kreisverbandes Steinfurt in Lengerich-Ringel am 5.3.2003 hielt Alf Hammelrath, früherer GEW-Landesvorsitzender, eine Laudatio auf den Kollegen Heinrich Kröner, der nach über 50jähriger Arbeit seine aktive Tätigkeit in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft beendete:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Heinrich!

Als ich im Jahre 1959 als Student in die GEW eintrat, wollten mir zuerst die Artikel und Berichte in der Neuen Deutschen Schule nicht viel sagen. Es waren auch solche von Heinrich Kröner dabei.

1959, das war eine Zeit, da Deutschland damit beschäftigt war, die gute alte Zeit wieder zu holen. Die Restauration war in vollem Gange, 14 Jahre nach dem Krieg, mitten im wirschaftswunderlichen Aufstieg.

Die Schulen knüpften an die Traditionen vor den tausend Jahren an; viel hatte sich nicht bewegt im Vergleich zu damals. Die Volksschule war die Volksschule, das Gymnasium das Gymnasium, Bildung war das Vorrecht der bürgerlichen Mittelschicht, noch nicht das erst Jahre später durch Ralf Dahrendorf proklamierte Bürgerrecht.

Aus der Zeit entsinne ich mich eines Attributs, das dem Kollegen Kröner mit liebe- und respektvollem Zungenschlag beigegeben wurde:

der wenig gegliederte Kollege Kröner.

Sicher, dieses Attribut rührte aus seiner Tätigkeit im Ausschuss für die wenig gegliederten Schulen. Aber, wenn ich es recht betrachte, wird ihm dieser Aspekt nicht gerecht.

Ich konnte damals noch nicht ahnen, dass ich 2 Jahrzehnte später diesem Kollegen Kröner in GEW-Funktionen begegnen würde; und noch weniger konnte ich ahnen, welche persönliche Einheit mir in diesem Kollegen begegnen würde.

Gewerkschafter, und zwar Einheitsgewerkschafter, von allem Anfang an. Die Konflikte, die dies mit sich bringen würde, nicht nur nicht scheuend, sondern als notwendig erkennend.

Pädagoge, ich hätte dies als erstes nennen sollen, durch und durch, kompromisslos. Der Pädagogik hatte sich alles unterzuordnen. Auch wenn er es nicht so nannte: für ihn war Bildung schon Bürgerrecht.

Protestant, kirchengebunden, christlich orientiert, aber nicht der christlichen Union zugehörend, auch hier konfliktbereit: selbstverständlich Sozialdemokrat.

Preuße, von protestantischem Ethos, Richtschnur seines Handelns. Über die dann so verachteten Sekundärtugenden Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Fleiß diskutierte man nicht, die hatte man.

Wer glaubt, einen reinen Idealisten vor sich zu haben, irrt. Handfeste Gewerkschaftspolitik, die sich mit Besoldung und Arbeitszeitfragen abplagt, mit den Ungerechtigkeiten eitler Machtausübung in Düsseldorf, waren auch sein Ding. Auch hier kompromisslos, aber nicht kompromissunfähig. Manch ein Ministerialer, bis hin zum Minister selbst, hat sich seine harschen Worte anhören müssen.

Heinrich Kröner gehörte früh für mich zu denen, die einen mir immer wichtiger werdenden Begriff ganz selbstverständlich lebten: Verantwortung. Die übernahm er, für sich und andere, und er erwartete auch, dass andere sie übernahmen. Und soweit er kann, übernimmt er sie noch heute, wie ich aus Anlass eines längeren Telefonats mit ihm vor einigen Wochen erfahren habe.

Betrachte ich heute die letzten vierzig Jahre, die ich - zunächst sehr distant, nicht nur geografisch, später vor allem im Landesvorstand der GEW näher, Heinrich Kröner begleiten durfte, so lassen sich diese Jahre an seiner Biografie entlang als solche interpretieren, in denen die bis heute uneingelösten Ideale etwa eines K.F.W. Wander aktiv von Menschen wie ihm eingefordert wurden.

Was soeben die PISA-Studie an Aufgeregtheiten und Entsetzen ausgelöst hat, sähe anders aus, wenn Bildungsreformer wie Heinrich Kröner in ihrer Modernität, nicht selten in barschem Tone artikuliert, mehr Gehör gefunden hätten.

Das spezielle Amalgam von Ethos, pädagogischem Eros, Professionalität und Modernität, das ist die Einheit, von der ich vorhin sprach, und die von dir, Heinrich, in für mich vorbildlicher Weise gelebt wurde und wird. Auch dein bewusster Umgang mit dir zugefügten Ungerechtigkeiten durch eine Obrigkeit, deren Existenzberechtigung du als roter Preuße niemals in Zweifel gezogen hast, deren Handeln du gleichwohl als borniert und eitel identifiziert hast, gehört hier zu.

Wer mich kennt, und du gehörst zu denen, die mich kennen, weiß, dass ich mit dem Wort Vorbild für mich selbst sparsam umgehe.

Ich habe mir verkniffen, anekdotisches zu berichten; aber für diejenigen unter den Anwesenden, die sich der Zeit vor 1980 und meiner 1981 erfolgten Wahl zum Landesvorsitzenden entsinnen, zumal ihrer speziellen Umstände, sei doch etwas Kennzeichnendes zum Schmunzeln beigetragen; eine winzige, doch für mich aufschlussreiche Begebenheit.

Heinrich Kröner, auch in Zeiten des modischen Jeans- und manchmal Gammellooks stets korrekt gekleidet, ließ mir, der ich in Jeans und Holzschuhen auf der Vertreterversammlung erschien und dort auch nicht eben selten das Wort ergriff, ausrichten: der Alf sei ja schon ganz in Ordnung, nur: ob der sich nicht ordentlich kleiden kann?

Ich hoffe, Heinrich, auch diese Differenz ist inzwischen beseitigt. Für die Beseitigung anderer, viel wichtigerer, danke ich dir sehr.

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